Man muß die klassische Arbeiterbewegung wieder mit offenen Augen zu studieren lernen, und vor allem klaren Kopf bewahren gegenüber den verschiedenen Arten der politischen und pseudotheoretischen Erben, denn diese haben nur ihre Schlappe geerbt.
[Situationistische Internationale]
In der ersten Hälfte des Jahres 2013 werden die Falken Erfurt und das Bildungskollektiv gemeinsam eine Veranstaltungsreihe über »Dissidenten der Arbeiterbewegung« organisieren. Es soll darum gehen, sowohl Biografien und historische Ereignisse nachzuzeichnen, als auch theoretische Konzepte zu rekonstruieren, die am Rande der Geschichte der Arbeiterbewegung aufzufinden sind: Bei AnarchistInnen, RätekommunistInnen, LinkskommunistInnen und sozialistischen FeministInnen. Insbesondere wollen wir uns dabei Figuren zuwenden, die mit den großen Organisationen der ArbeiterInnenbewegung – KPD, SPD, Gewerkschaften, I. - III. Internationale – in Konflikt geraten sind und einen Weg jenseits von Autoritarismus und Bürokratie gesucht haben (um willkürlich nur einige zu nennen: Paul Mattik, Anton Pannekoek, Rosa Luxemburg, Louis Michelle, Franz Jung, Fritz Lamm). Dabei soll es weniger darum gehen, im Rückblick Szenarien zu erfinden, wie die bisher gescheiterten Revolutionsversuche doch funktioniert hätten, wenn man nur auf die richtigen Leute gehört hätte – wohl aber soll in einer historischen Rekonstruktion und Erinnerungsarbeit nach unabgegoltenen Potenzialen gesucht werden, die heute aktualisiert und wieder fruchtbar gemacht werden können und dabei möglicherweise auch über die Bornierungen der eigenen Szene hinausweisen. Eine erneute Zuwendung zur ArbeiterInnenbewegung und den Konflikten, die ihre Geschichte geprägt haben, halten wir auch dahingehnd für fruchtbar, als dass innerhalb der Linken scheinbar eine Auseinandersetzung mit Klassenverhältnissen und -zusammensetzung wieder eine Konjunktur erfährt. Eine undogmatische Aneignung dieses Themenkomplexes, scheint uns über den Weg einer Auseinandersetzung mit den »Dissidenten« gewinnbringend möglich zu sein.
Da der Konflikt zwischen »Linkskommunismus« und »Staatssozialismus« (um nur einen Aspekt des Problems der »Dissidenz«) zu nennen, sich zentral an der Frage nach der Stellung zum Staat, seiner Institutionen und Parteien, entzündete, wollen wir uns im Rahmen dieser Reihe in einem Wochenend-Seminar dem Themenkomplex des Staates zuwenden. Dabei sollen weniger linksradikale Gewissheiten einer Ablehnung des Staates vorausgesetzt werden, als dass wir uns zunächst ganz grundlegenden einen Begriff vom modernen Nationalstaat erarbeiten wollen: Was zeichnet moderne Staatlichkeit aus? Wie hat sie sich historisch herausgebildet? Wo beginnt der Staat, wo hört er auf? In welchem Verhältnis steht der Staat zum Privateigentum, in welcher Beziehung steht er überhaupt zur Ökonomie? Ist der moderne Staat ein Klassenstaat oder steht er über den einzelnen Klassen? In welchem Verhältnis steht der Staat zur Gewalt? Im nächsten Schritt wollen wir uns dann der Frage stellen, welche Bestimmung der Staat in revolutionstheoretischen Konzepten erhält – hier werden die genannten »Dissidenten« wesentlicher Bezugspunkt sein.